Tiefverwurzelt in der Heimat – Häberli BIO
Tiefverwurzelt in der Heimat – Häberli BIO
Anfangs Februar ist Gemüsegärtnermeister Tobias Häberli mächtig im Schuss. Einerseits hat er alle Hände voll zu tun mit Lagergemüse – Wirz, Kabis, Chinakohl, Lauch, Rosso, Zuckerhut und Nüsslisalat aus dem Treibhaus – andererseits soll bald der Nüsslisalat im Freiland gesetzt werden, nahe am Bodensee, weil das Klima da besonders mild ist.
Stetig am Wachsen
Das Unternehmen von Tobias Häberli ist relativ jung und nach eigenen Worten etwa «mittelgross». Gegründet 2020, waren auf dem einzigen Biogemüsebetrieb im Oberthurgau letzten Sommer bereits rund einhundert Mitarbeitende beschäftigt, die Anbauflächen wachsen stetig. Eine der grössten Herausforderungen für das junge Bio-Unternehmen war die Umstellungsphase der Anbauflächen von herkömmlicher Produktion auf Bio. «Man kann nicht von einem Tag auf den anderen Bio werden», stellt Häberli klar. «Es gilt eine Übergangsphase von zwei Jahren, während der nicht mehr mit konventionellen Mitteln gegen Unkraut vorgegangen werden darf. Auch kann man nicht einfach das Land mit den Nachbarn abtauschen, man muss Pachtverträge mit mindestens dreijähriger Laufzeit haben.»
Strenge Vorschriften
Häberli Bio produziert nach den strengen Richtlinien von Bio Suisse Knospe – das heisst, man verzichtet komplett auf chemisch-synthetische Mittel für Wachstum oder Unkraut- und Schädlingsbekämpfung. «Zusätzlich gibt es bestimmte Anforderungen im Betrieb zu erfüllen, wie z. B. die fachgerechte und ordentliche Lagerung der Pflanzenschutzmittel oder eine saubere Führung von Inventar und Buchhaltung.» Doch Häberli geht weit darüber hinaus. «Das ist sicher etwas, wo wir uns wohl am meisten von anderen abheben. Wir erfüllen nicht nur die Vorschriften, sondern schauen auch, dass es unseren Mitarbeitenden gut geht und lassen ihrem Komfort einen höheren Stellenwert zukommen. Für uns sind daher sogenannte Nebenschauplätze wie Unterkünfte, Pausenräume oder auch Toiletten etc. sehr wichtig.»
Mit Hitze und Wasser gegen Schädlinge
Bio kommt ganz ohne Chemie aus. Doch wie lässt sich das Unkraut in den Griff bekommen? Tobis Häberli stellt klar: «Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit ist die Menge an Jätarbeit, die wir haben». Erlaubt ist beispielsweise thermische Energie, das Abflammen. «Dieses Vorgehen ist sehr effektiv. Ich kann gut dahinterstehen trotz CO2-Abdruck, denn für uns als Unternehmen ist es wichtig, Unkraut möglichst früh, im sogenannten Zwei- oder Dreiblattstadium, zu erwischen. Da können wir fast reinen Tisch machen – und selbst dann bleibt noch ganz viel Handarbeit. Für mich entscheidend: Mit dem Abflammen können wir fast alles Unkraut oberhalb der Erdoberfläche vernichten, doch die Mikroorganismen im Boden nehmen keinen Schaden. Das ist der grosse Unterschied zu Herbiziden, die ungünstige Auswirkungen auf alle Mikroorganismen oder Lebewesen im Boden haben.»
Gegen Blattläuse greift Häberli auf Neemöl-Spritzmittel zurück. Oder er arbeitet mit Insektenschutznetzen. Diese werden vliesartig z. B. über Kohlplantagen gelegt, so dass die Schädlinge gar nicht erst in die Kultur hinein gelangen können. «Bei Zwiebeln haben wir immer wieder Probleme mit den Thripsen. Die Einstiche dieses kleinen Insekts führen zu Verkrüppelungen der Blätter. Gut für uns: Der Thrips mag keine Nässe. Erlaubt es also die Witterung und ist es eher trocken, dann wird bewässert und der Thribs verjagt. Wir versuchen auf natürliche Weise, Insekten das Leben schwerzumachen.»
Von der Kunst, sich nicht zu verzetteln
Tobias Häberli hat sich auf den Anbau von Kartoffeln, Rüebli, Zwiebeln, Nüsslisalat, Zuchetti, Gurken, Auberginen sowie verschiedenen Salaten spezialisiert. «Es macht keinen Sinn, wenn alle alles anbauen. Daher hat er Gemüsesorten wie Broccoli und Blumenkohl an einen Kameraden abgegeben. «Ihm kaufe ich bestimmte Mengen ab, die dann auch in Tobi’s Biobox kommen. Auch baue ich im Gewächshaus keine Tomaten an, sondern beziehe sie von einen weiteren Kollegen. Es ist eine Kunst, sich nicht zu verzetteln. Sicher, alles ist Gemüse, doch jedes ist anders und muss unterschiedlich kultiviert und gepflegt werden. Wir Jungen hier im Oberthurgau arbeiten richtig gut zusammen. Das ist toll.»
Nüsslisalat-Flüsterer
Tobias Häberli hat sich den Ruf als Nüsslisalat-Flüsterer erarbeitet. Er weiss sehr genau, was diese Pflänzchen brauchen und lieben. Schon zahlreichen Kund*innen hat er Anbau-Tipps – und manchmal auch Setzlinge – mitgegeben. «Ich bekam schon viel tolles Feedback, einige brachten mir sogar ein Geschenkli und berichteten mit leuchtenden Augen, dass sie noch nie so schönen und feinen Nüsslisalat hätten ernten können. Es freut mich sehr, dass meine Tipps geschätzt und befolgt werden.»
Warum macht Häberli Bio?
Auf die Frage, warum er Bio als besser erachte, wird Tobias Häberli nachdenklich. «Nein, für mich ist Bio nicht unbedingt besser, sondern nachhaltiger. Ich denke langfristiger, muss vorbeugend arbeiten und im Einklang mit der Natur – gerade, weil wir keine Chemie einsetzen können. Es gilt, gute Grundlagen für die Pflanzen zu schaffen, gesunde Böden zu haben. Bei uns gibt es keine Notfallübungen mit Spritzmitteln.»
Und weshalb er seine Arbeit auch spannend findet: «Bio hat in den letzten zwei Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht was Produktion, Qualität und Erträge angeht. Heute bietet Bio top Ware und beste Qualität – man muss sich schliesslich an extreme Qualitätsvorschriften halten. Wir ernten bei den Kartoffeln 50 Tonnen Ertrag auf einen Hektar, früher waren es nur 10 bis 15 Tonnen. Ich sehe Erfolgserlebnisse und -ergebnisse in verschiedenen Bio-Kulturen.»
Umdenken
Laut Häberli habe vor allen das bewusste, nachhaltige und regionale Einkaufen zugenommen. Die Leute machen sich vermehrt Gedanken über ihren Einkauf. «Viele kommen und sagen uns, dass sie uns unterstützen, weil sie erkannt haben, dass billiger Konsum nicht um jeden Preis sein muss.»
Dasselbe sei auch beim Thema Food Waste zu beobachten. «Das Rädchen beginnt zu laufen, anders als vielleicht noch vor fünf, sechs Jahren.» Doch es ist wie es ist: «Der Griff nach dem schönsten Produkt ist einfach menschengemacht. Niemand kauft ganz bewusst unschöne Produkte, doch die Akzeptanz für Gemüse, das nicht ganz der Norm entspricht, steigt, vor allem im Hofladen.»
Tobias Häberli bietet Gemüse und Früchte aus dem Oberthurgau am Wochenmarkt, im Hofladen sowie als Abo an. Und das kommt gut an – sowohl bei der Kundschaft als auch bei den Flächen, die er bebaut. «Als Biogemüsebauer arbeite ich mit der Natur zusammen, behandele sie anständig und bekommt dafür etwas Gutes. Und macht man es mal nicht gut, so gibt sie es uns zurück», lacht Tobias Häberli – und weg ist er, wieder zurück beim Nüsslisalat.